Amputierte ukrainische Soldaten kicken sich zurück ins Leben - Ein Stück Normalität auf dem Fußballplatz
Wie erklärt man einem jungen Soldaten, dass sein Leben weiter geht, obwohl er gerade einen Arm oder ein Bein verloren hat? Pater Mykhailo Chaban versucht, eine sportliche Antwort auf diese Frage zu geben: mit Fußball.
Von Raphael Schlimbach KNA
Denys hat im Krieg Russlands gegen die Ukraine ein Bein verloren. Bei der Verteidigung von Mariupol wurde der ukrainische Soldat schwer verwundet und geriet in russische Gefangenschaft. Wieder in Freiheit schickte man ihn in ein Rehazentrum in der Westukraine. Dort sollen Kriegsversehrte wie der 38-Jährige lernen, trotz Traumata und Amputationen wieder ins Leben zufinden. Aber wie erklärt man einem jungen Mann, der einen Arm oder einen Fuß verloren hat, dass die Welt sich auch in Zukunft weiterdrehen wird?
Der Salesianer-Pater Mykhailo Chaban gibt eine mögliche Antwort auf diese schwierige Frage: mit Fußball. Sport als Weg zurück ins Leben, ein Stück Normalität bei einem alltäglichen Hobby- so der Plan des ukrainischen Provinzials des katholischen Ordens. In Lwiw hat Pater Mykhailo im Jahr 2023 mit dem Team Pokrova das erste Amputierten-Fußballteam der Ukraine gegründet. Die meisten unserer Sportler haben Fußball schon vor dem Krieg geliebt. Natürlich gibt es ein Vor und ein Nach der Amputation, aber durch den Sport ist der Einschnitt im Leben weniger hart , erklärt der Pater bei einem Besuch in Bonn. Eigentlich liege der Fokus der Salesianer nicht auf inklusivem Sport. Aber bei der Vielzahl an Kriegsversehrten gebe es einen höheren Bedarf als früher. Die Idee kam Pater Mykhailo auf einem Jugend Fußballturnier in der Schweiz, wie er berichtet. Mit vertreten waren auch inklusive Mannschaften, etwa ein Amputierten Team des französischen Erstligisten Olympique Marseille. Der Gedanke, ein solches Team in der Heimat zu gründen, ließ den Pater nicht mehr los. Mit Experten, etwa dem ukrainischen Trainer der polnischen Nationalmannschaft, plante er das Projekt. Heute trainieren bei Pokrova etwa 25 amputierte Sportler, 80 Prozent von ihnen Soldaten. Der Weg zum eigenen Team sei nicht immer leicht gewesen: Keiner hatte Erfahrung damit. Und keiner kannte uns. Wir mussten den Spielern erstmal erklären, dass es uns überhaupt gibt. Also leisteten der Pater und der Trainer gezielt Überzeugungsarbeit in den Rehazentren. So sei das Projekt gewachsen, auch weil einige Spieler mit in die Krankenhäuser fahren und persönlich zeigen, was mit Amputationen möglich ist. Laut Pater Mykhailo ist das gar nicht wenig. Das Team spiele etwa in einer polnischen Internet Mitteilung des Salesianer-Ordens zu dem Fußball-Projekt Meisterschaft für Amp-Fußball , in der die Ukrainer gegen acht Mannschaften aus Polen antreten.
Sein Traum ist eine eigene ukrainische Liga, mit Teams aus dem ganzen Land. Zudem hofft er auf ein großes Rehazentrum mit Fußballabteilung, psychologischer Betreuung und Gästezimmern für die Familien der Spieler. Denn auch wenn es um Spaß und Sport geht, am Ende ist eine Amputation eine Belastungsprobe für die Soldaten und ihr Umfeld.
Die Spieler sind in zwei Problemlagen. Einmal die Amputation, auf die sie sich einstellen müssen. Das zweite sind die Erlebnisse, die sie im Krieg gemacht haben, sagt Pater Mykhailo. Daher sei bei den meisten Trainingseinheiten ein Salesianer dabei, für psychologische und spirituelle Fragen. Der Geistliche zeigt sich überzeugt, Pokrova hilft: Der Sport motiviert die Spieler. Weil sie Spaß haben, merkt man, dass sie viel schneller wieder fit werden. Außerdem spielen sie in einer Gruppe und sehen, es gibt noch andere in ihrer Lage. Die Spieler merkten, dass sie trotz Einschränkungen sogar noch sportlichen Träumen nachgehen könnten.