Thesenpapier des Sachausschusses Sicherheit und Frieden zum Europäischen Gesellschaftsdienst

In der weiteren Befassung mit der Thematik des Allgemeinen Gesellschaftsdienstes hat der Sachausschuss Sicherheit und Frieden ein Thesenpapier zu einem Europäischen Gesellschaftsdienst erarbeitet.

Dieses finden sie hier: (Link auf das angehängte Thesenpapier zum Europäischen Gesellschaftsdienst)

Erklärung zum Allgemeinen Gesellschaftsdienst

– eine win-win-Situation für alle Seiten!

Die Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS) begrüßt die in den letzten Tagen in Gang gekommene breite Debatte zur Einführung einer Allgemeinen Dienstpflicht, in die sich viele gesellschaftliche Gruppierungen mit ihrer je ganz eigenen Sicht einbringen.
„Wir setzen uns seit 2015 für eine solche breite gesellschaftliche Diskussion über die Einführung eines Allgemeinen Gesellschaftsdienstes, wie er derzeit unter dem Begriff „Allgemeine Dienstpflicht“ diskutiert wird, ein,“ erklärt der Bundesvorsitzende der Gemeinschaft, Oberst Rüdiger Attermeyer. „Den Allgemeinen Gesellschaftsdienst sollen alle jungen Männer und Frauen im Anschluss an ihre Ausbildung ableisten. Einsatzmöglichkeiten sind dabei in der Bundeswehr (Wehrdienst), aber auch im Zivil- und Katastrophenschutz sowie im sozialen und caritativen Bereich. Auch die Schaffung der Möglichkeit der Ableistung des Dienstes im europäischen Rahmen befürworten wir mit Blick auf die europäische Integration ausdrücklich.“, so Attermeyer weiter.
Ziel des Allgemeinen Gesellschaftsdienstes darf dabei nicht die Bereitstellung „billiger“ Arbeitskräfte sein, um die beispielsweise im Bereich der Pflege bestehenden personellen Lücken notdürftig zu schließen. Die massiven Fehlentwicklungen auf dem Arbeitsmarkt gerade im sozialen und caritativen Sektor müssen unabhängig von der Diskussion über eine allgemeine Dienstpflicht gesellschaftlich und politisch angegangen werden. Ein Lösungsversuch über die Einführung einer Allgemeinen Dienstpflicht ist hier der eindeutig falsche Weg.
Allerdings könnte über einen Allgemeinen Gesellschaftsdienst und die dadurch zur Verfügung stehenden zusätzlichen Arbeitskräfte ein Unterstützungspotential entstehen, das die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Bereiche entlasten und somit zu mehr Zeit und damit zu Qualitätssteigerungen und einer größeren Menschlichkeit führen kann.

Stärkung der Verbundenheit zwischen Gesellschaft und Bundeswehr:

Mit der Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht 2011 ging eine zunehmende Entfremdung der Bevölkerung von der Bundeswehr einher. Eine Allgemeine Dienstpflicht, an der auch die Bundeswehr teilhaben würde, könnte dies wieder ändern.
Die Fragen von Krieg und Frieden, vom Einsatz von Gewalt im zwischenstaatlichen Bereich und nach den dieser Gewaltanwendung zugrundeliegenden Werten und Voraussetzungen sind häufig Randfragen im gesellschaftlichen Diskurs, auch weil sie die Menschen scheinbar persönlich nicht (mehr) betreffen und in die Verantwortung von „Profis“ abgegeben werden.
Eine wehrhafte Gesellschaft, die sich mit großem Engagement für den Frieden in allen Dimensionen einsetzen will, braucht die gesellschaftliche Befassung mit diesen Fragen und die daraus resultierende ständige, informierte und konsequente Kontrolle der politischen Entscheidungen durch die Bevölkerung.
Die Bundeswehr als Teil eines freiheitlichen, demokratischen Landes braucht die tiefe Verwurzelung in der Gesellschaft als Basis ihrer Identität und Legitimität.
Und wir Soldatinnen und Soldaten brauchen die Gewissheit in unserem Dienst von unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern getragen zu werden.

Personalsituation der Bundeswehr und Zivilschutz: 

Die sicherheitspolitische Lage unseres Landes hat sich verändert. Über viele Jahre gingen wir als Teil des westlichen Verteidigungsbündnisses davon aus, dass die Frage der Landesverteidigung stark an Bedeutung verliert. Stattdessen wurden die Friedenssicherungs- und -unterstützungsmaßnahmen in Auslandseinsätzen zum Schwerpunkt der strategischen Überlegungen und des militärischen Handelns. Die geopolitischen Entwicklungen der letzten Jahre haben hier zu einem Umdenken geführt und die Notwendigkeit des Wiedererstarkens der Fähigkeiten der Landesverteidigung in den Fokus gerückt.
Dies stellt die vorhandenen Kräfte der Bundeswehr vor enorme Herausforderungen, sowohl personell als auch materiell.
Bereits jetzt können die Personalstellen aus den vorhandenen Bewerberinnen und Bewerbern kaum besetzt werden. Der Soldatenberuf spielt in den Überlegungen sehr vieler junger Männer und Frauen überhaupt keine Rolle, da sie keinerlei Beziehung zu ihm haben. Werbemaßnahmen greifen in dieser Situation nur äußerst schwer. Der Wehrdienst ist eine große Chance für die Bundeswehr, sich bei den Berufseinsteigern bekannt zu machen und damit die Chance zu erhöhen, eine ausreichende Anzahl motivierter und geeigneter Bewerberinnen und Bewerber zu finden.
Auch die Aufgabe des Zivilschutzes erhält durch die veränderte geopolitische Lage wieder eine größere Bedeutung und muss in den Blick genommen werden. Auch hier bietet ein Allgemeiner Gesellschaftsdienst große Möglichkeiten und Chancen.

Stärkung des staatsbürgerlichen Bewusstseins und des Zusammenhalts in der Gesellschaft

Ein Allgemeiner Gesellschaftsdienst bietet die Chance, junge Menschen an unsere Gesellschaft und unseren Staat mit seinen vielfältigen Freiheiten, Chancen und Möglichkeiten in besonderer Weise heranzuführen und dabei auch die Verantwortung jedes Bürgers und jeder Bürgerin für diesen Staat zu verdeutlich.
Jungen Menschen kann während dieser Dienstzeit Wissen und Erfahrung im gesellschaftlichen, politischen, sozialen und praktischen Bereich vermittelt werden, von dem in der politischen Diskussion längst erkannt ist, dass es notwendig oder zumindest hochgradig wünschenswert ist, das aber in der Schule nicht vermittelt und schon gar nicht erfahren werden kann.

Chance zur Persönlichkeitsentwicklung und Horizonterweiterung: 

Für die jungen Menschen bietet sich an einem entscheidenden Punkt ihres Lebens die Chance, in einem solchen Gesellschaftsdienst den eigenen Horizont zu erweitern. Sie können sich aus-probieren, eigene Grenzen erfahren, ganz bewusst in Situationen hineingehen, die sie bisher nicht kannten, neue Fähigkeiten an sich entdecken und die eigene Persönlichkeit entwickeln. Im Rahmen ihres Dienstes übernehmen sie Verantwortung für ihr Tun und die ihnen anvertraute Aufgabe, werden dadurch selbständiger und stärken ihr Selbstvertrauen. All das können wesentliche Entscheidungshilfen für die Weichenstellungen mit Blick auf die eigene persönliche und berufliche Zukunft sein.

Vorteil des allgemeinen gegenüber dem freiwilligen Dienst: 

Bereits heute nutzen viele junge Menschen die Zeit zwischen Schule und Ausbildung bzw. Studium, um sich in einem Freiwilligendienst zu engagieren, mehrmonatigen Auslandsreisen zu unternehmen oder im Rahmen von „work and travel“ unterwegs zu sein. Die Ausgestaltung der bereits vorhandenen freiwilligen Angebote bleibt dabei bisher häufig den jeweiligen Anbietern völlig überlassen. Eine Qualitätskontrolle findet nur spärlich statt, so dass manche Angebote eher prekären Arbeitsverhältnissen ähneln und mitnichten eine win-win-Situation für alle Seiten darstellen. Die Chance der gezielten Weiterbildung und Förderung der jungen Menschen wird so häufig vertan.
Die organisatorischen und bürokratischen Hindernisse, die vor der Aufnahme eines Freiwilligendienstes, wie er bisher angeboten wird, zu überwinden sind, sind nicht unerheblich. Dies dürfte auch ein Grund dafür sein, warum aktuell insbesondere Gymnasiastinnen und Gymnasiasten die Möglichkeit des Freiwilligendienstes nutzen. Damit aber werden große Teile der Bevölkerung indirekt von der in einem solchen Dienst liegenden Chance ausgeschlossen.
Durch einen Allgemeinen Gesellschaftsdienst könnten hier wesentliche Verbesserungen erzielt werden.

Notwendigkeit der ergebnisoffenen, ehrlichen gesellschaftlichen Diskussion

Wir treten dafür ein, die Frage der Einführung eines Allgemeinen Gesellschaftsdienstes/ einer Allgemeinen Dienstpflicht ergebnisoffen gesellschaftlich zu diskutieren. Nicht hilfreich sind hierbei die Verwendung von Totschlagargumenten, wie „das ist nicht finanzierbar“, „das ist verfassungswidrig“ und „dafür gibt es keine politische Mehrheit“. Denn erst wenn geklärt ist, was die Gesellschaft will und erwartet, können die Fragen nach dem verfassungskonformen Weg dorthin gestellt werden und die aufzubringenden Geldmittel, die notwendigen Vorarbeiten zur Schaffung guter Rahmenbedingungen und die dafür notwendigen Zeitvorläufe ermittelt und abgewogen werden. Erst wenn diese grundlegenden Hausaufgaben gemacht sind und die gesellschaftliche Debatte damit in angemessener Qualität und Tiefe geführt werden konnte, dann werden sich die politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger ihrer Verantwortung stellen und entscheiden.

In diesem Sinne hoffen wir auch weiterhin auf eine intensive, ergebnisoffene aber lösungsorientierte Debatte, an der wir uns gerne weiter beteiligen werden.

 

Berlin, den 9.8.2018

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