Fünf Fragen und Antworten vor der Weltklimakonferenz in Dubai - Es steht viel auf dem Spiel

Von Joachim Heinz (KNA)

9.November
Prizren Kosovo - Blick auf die Stadt

Am 30. November beginnt in Dubai die Weltklimakonferenz. Bis zum 12. Dezember wollen Wissenschaftler, Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft über den Kampf gegen den Klimawandel und den Stand bei der Umsetzung des Klimaabkommens von Paris beraten. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) beantwortet einige wichtige Fragen rund um das Treffen in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Worum geht es beim Klimaabkommen von Paris?

Das am 12. Dezember 2015 abgeschlossene Klimaabkommen sieht vor, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur im Vergleich zum vorindustriellen Niveau auf unter 2 Grad, nach Möglichkeit auf unter 1,5 Grad, zu begrenzen. Dies soll durch Verminderungen beim Ausstoß von Kohlendioxid und anderen klimaschädlichen Gasen wie Methan oder Lachgas geschehen.

Wo steht die Welt aktuell beim Klimaschutz?

Laut dem aktuellen Emissions Gap Report 2023 des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) steuert die Welt trotz aller Zusagen von Politik und Wirtschaft auf eine Erwärmung um fast 3 Grad zu. Die Treibhausgas-Emissionen stiegen demnach von 2021 bis 2022 weltweit um 1,2 Prozent auf eine neue Rekordmenge. Den gleichen Anstieg verzeichneten die 20 größten Industriestaaten, die das höchste Einsparpotenzial besitzen - und in den vergangenen rund 200 Jahren am meisten CO2 in die Atmosphäre geblasen haben. Experten des EU-Klimawandeldienstes Copernicus Climate Change Service befürchten, dass 2023 global betrachtet als wärmstes Jahr der vergangenen 125.000 Jahre in die Geschichte eingehen könnte. Die Folgen des Klimawandels sind jetzt schon spürbar - und zwar überall auf der Welt: Rekordhitze in Brasilien, Waldbrände in Kanada oder die Gletscherschmelze in den Alpen. Extrem hohe Temperaturen, Dürre, Starkregen und Stürme töten oder verletzen Menschen, zerstören Ernten und Infrastruktur. Sich verändernde Lebensbedingungen treiben Bevölkerungen auf die Flucht und führen zu Kämpfen um Ressourcen.

In welcher politischen Großwetterlage findet die Weltklimakonferenz statt?

Krieg in der Ukraine und in Nahost, dazu Konflikte und Spannungen in vielen anderen Teilen der Welt: Es gab schon bessere Zeiten für die jährliche Konferenz der Vertragspartner der Klimarahmenkonvention. Aus der 1992 verabschiedeten Konvention ging 2015 das Pariser Klimaabkommen hervor. Zwischenzeitlich gab es Gerüchte, wonach die 28. Auflage der Conference of the Parties (COP 28) wegen des Überfalls der Hamas auf Israel verschoben werden könnte. Doch das ist mittlerweile vom Tisch. Gastgeber des Treffens sind die Vereinigten Arabischen Emirate. Er wolle sich mit aller Kraft für mehr Klimaschutz einsetzen, kündigt der Konferenzpräsident Sultan Ahmed AlDschabir auf der COP 28-Homepage an. Kritiker haben allerdings Sorge, dass Al-Dschabir als Chef des staatlichen Ölunternehmens Adnoc und Industrieminister nicht der richtige Mann ist, um den angestrebten Ausstieg aus der fossilen Energie voranzutreiben. Neben Klima- und Umweltschützern haben sich auch zahlreiche Lobbyisten aus der Öl-Branche zur Weltklimakonferenz angekündigt.

Was steht in Dubai auf der Agenda?

In Dubai will die Staatengemeinschaft die erste globale Bestandsaufnahme zur Umsetzung des Pariser Abkommens vornehmen. Wie ist es möglich, den Ausstoß klimaschädlicher Gase doch noch wie angepeilt bis 2030 um die Hälfte zu reduzieren? Notwendig dafür wäre ein zügiger Ausstieg aus Öl, Kohle und Gas, ein Ausbau erneuerbarer Energien wie Solar- und Windkraftanlagen und - vor allem in den reichen Ländern des Nordens - ein Lebensstil, der deutlich weniger Ressourcen verbraucht als bisher. Die Wissenschaftler des Umweltprogramms der Vereinten Nationen halten zudem mittel- und langfristig auch eine aktive Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre unverzichtbar. Die entsprechenden Technologien sind allerdings noch nicht im großen Stil einsetzbar. Auch rund um die langfristige Einlagerung von Kohlendioxid sind Fragen zur Machbarkeit und möglichen Risiken oen. Weitere wichtige Punkte sind ein Ausbau der Katastrophenvorsorge und eine Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel. Zu den Dauerbrennern auf den Weltklimakonferenzen gehören schließlich Debatten ums Geld. Konkreter: Wer entschädigt wie und mit welchen Summen jene - meist ärmeren - Staaten, die schon jetzt unter den Folgen des Klimawandels leiden? Ein wichtiges Schlagwort dazu lautet „Loss and Damage“, zu deutsch „Schäden und Verluste“.

Welche „Promis reisen in die Vereinigten Arabischen Emirate?

In diesem Jahr dürften der britische König Charles III. und Papst Franziskus die größte Aufmerksamkeit bekommen. Beide setzen sich seit Jahren für den Umwelt- und Klimaschutz ein. Der Papst wird vom 1. bis 3. Dezember in Dubai erwartet. Bleibt die Frage, welche Rolle Greta Thunberg spielen wird. Die 20-jährige Klimaaktivistin hat sich zuletzt mit Äußerungen zum Gaza-Krieg und mit ihrer Parteinahme für die Palästinenser ins Abseits gebracht.

 

Vor 50 Jahren starb Ben Gurion - Gründer des modernen Israel Beginn einer „unmöglichen Freundschaft“

Er gilt als Vater der Nation, als Gründervater Israels. David Ben Gurion forcierte den Traum von der jüdischen Heimstatt zum demokratischen Staat und wurde Israels erste Ministerpräsident. Er starb vor 50 Jahren.
Von Johannes Schidelko (KNA)

Die Gründungszeremonie war schlicht und emotional - und löste einen Krieg aus, ähnlich dem, der den Nahen Osten derzeit erneut erschüttert. Am Nachmittag des 14. Mai 1948 proklamierte David Ben Gurion im Tel Aviver Kunstmuseum den „jüdischen Staat im Land Israel, den Staat Israel“. Vor 350 geladenen Gästen verlas er die Unabhängigkeitserklärung. Rabbi Fishman sprach mit bewegter Stimme den Schehechejanu-Segen. Dann intonierte ein Orchester die Nationalhymne Hatikwa. Die Zeremonie dauerte 32 Minuten.

„2.000 Jahre haben wir auf diese Stunde gewartet“, eröffnete Ben Gurion seine Rede. Mit Mut, Bereitschaft zum Risiko und Gespür für den richtigen Zeitpunkt hatte der 62- Jährige das Machtvakuum zum Ende des britischen Mandats über Palästina genutzt. Wenige Stunden nach der Zeremonie griffen fünf arabische Staaten den neuen Nachbarn an, der mit zusammengekauften tschechischen Waffen den erfolgreichen Widerstand organisierte. Die Waffenstillstandslinien von 1949 umschlossen ein größeres jüdisches Terrain als der UNO-Teilungsplan von 1947. Dabei wollte Ben Gurion, 1886 in Plonsk im zaristischen Polen als David Grün geboren und von Jugend an begeisterter Sozialist und Zionist, den Nachbarstaaten „die Hand zum Frieden und zu guter Nachbarschaft“ reichen. Die in Israel lebenden Araber rief er auf, sich gleichberechtigt am Aufbau des neuen Staates zu beteiligen. Aber sie machten mobil. Schon 1906 war Ben Gurion nach Palästina ausgewandert. 1915 heiratete er die jüdisch-russische Bibliothekarin Paula Munweis, mit der er drei Kinder hatte. Nach dem Ersten Weltkrieg gründete er die sozialistische Arbeiterpartei Mapai, die führende Kraft der zionistischen Bewegung, die die jüdische Einwanderung nach Palästina und die Gründung jüdischer Siedlungen forcierte. In seine dreizehn Jahre lange, 1953 kurz unterbrochene Amtszeit fiel 1956 der Suez-Krieg. 1960 überraschte Ben Gurion die internationale Öffentlichkeit mit der Entführung des Holocaust-Koordinators Adolf Eichmann aus Argentinien, der in Israel vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt wurde. 1963 trat er vom Amt des Premiers zurück, blieb aber bis 1970 Mitglied der Knesset. Nach dem Sechstagekrieg 1967 sprach er sich dagegen aus, weiteres arabisches Land zu annektieren.

Schon sehr früh trat Ben Gurion in Kontakt mit dem deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer. Die beiden verband eine zu ihrer Zeit „unmögliche Freundschaft“, die dann zu einer „unmöglichen Freundschaft“ der beiden Länder wurde, wie der frühere Adenauer-Stiftungs-Repräsentant in Jerusalem, Michael Borchard, schrieb. Schon kurz nach Amtsantritt plante Adenauer, das Verhältnis des deutschen Volkes zum Judentum und zum Staat Israel auf eine neue Grundlage zu stellen. Dabei signalisierte er die deutsche Bereitschaft zu einer Wiedergutmachung für das Unrecht des NS-Regimes an den Juden. Dies löste eine rege Geheimdiplomatie aus. Während in der israelischen Öffentlichkeit erhebliche Vorbehalte gegenüber der „Nation der Mörderinnen und Mörder“ und einem „Blutgeld“ bestanden - besonders geschürt von seinem Gegenspieler (und späteren Ministerpräsidenten) Menachim Begin -, war Ben Gurion zu Wiedergutmachungsverhandlungen bereit. Er wollte die Existenz Israels sichern, das infolge der wachsenden Einwanderung und der Waffenkäufe in massiver Geldnot war. Zum historischen Spitzentreffen kam es dann am 14. März im New Yorker Waldorf-Astoria-Hotel. Wegen der wartenden Journalisten stieg Ben Gurion über eine Feuerleiter zwei Etagen zur Adenauer-Suite hinab. Offenbar stimmte - trotz aller Unterschiede - die Chemie beim Zusammentreffen des katholischen Konservativen mit dem sozialistischen Zionisten, so Borchard. 1966, ein Jahr nachdem die Bundesrepublik Deutschland und Israel diplomatische Beziehungen aufgenommen hatten, besuchte der Pensionär Adenauer den ebenfalls pensionierten Premier in dessen Wüstenkibbuz. Als der Ex-Kanzler ein Jahr später starb, reiste Ben Gurion - als erster israelischer Spitzen-Repräsentant - zu dessen Beerdigung ins Rheinland. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Ben Gurion im Kibbuz Sede Boker im Negev. Er widmete sich der Lektüre; seine private Bibliothek umfasst mehr als 20.000 Bände. Er kannte elf Sprachen, konnte zwar nicht alle sprechen, wohl aber Deutsch. Zudem schrieb er seine Memoiren. Er starb am 1. Dezember 1973 nach kurzer Krankheit.

 

Kosovo-Bischof: Erneuter Krieg wäre Schande für die ganze Region

Pristina (KNA)

9.November
Prizren Kosovo - Blick auf die Stadt

Der kosovarische Bischof Dode Gjergji ruft die Politiker der Region zum Dialog auf. Eine Versöhnung und friedliches Zusammenleben im jüngsten Land Europas seien möglich, betonte der Leiter des Bistums Prizren-Pristina im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Daran müsse man arbeiten.

2008 hatte der Kosovo seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Während die verschiedenen Ethnien des Landes kein Problem mit der neuen politischen Realität hätten, würden die Spannungen von politischer Seite weiter vorangetrieben, erklärte Gjergji. Die Menschen vor Ort, Serben wie Albaner, seien bereit, zusammenzuleben und eine Zukunft aufzubauen. Nach wie vor betrachtet die Regierung in Belgrad den Kosovo als serbisches Territorium. Die friedliche Beilegung des Streits gilt als eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Beitritt der beiden Staaten zur Europäischen Union (EU).

Laut Gjergji gebe es aber vor allem von serbischer Seite Aufholbedarf; betroffen sei neben der Politik auch die Kirche: „Leider ist es schwer, die orthodoxe Kirche zu überzeugen, den Kosovo als neue Realität zu akzeptieren und an der Versöhnung mitzuwirken.“ Es sei schade, dass man mit den orthodoxen Mitbrüdern noch nicht mit einer gemeinsamen Stimme für Frieden, Versöhnung und ein Zusammenleben sprechen könne, so der katholische Geistliche. Zuletzt war es trotz Vermittlungen der EU erneut zu Spannungen zwischen dem Kosovo und Serbien gekommen. Im September lieferten sich serbische Extremisten in der kosovarischen Stadt Banjska ein stundenlanges Gefecht mit Sicherheitskräften. Ein Polizist und drei Angreifer wurden getötet. „Es war eine schlimme Situation für uns alle - denn wir wollen keinen neuen Krieg“, betont Gjergji. Ein erneuter Militärkonflikt wäre nach seinen Worten „nicht nur eine große Schande für den Nordkosovo oder Serbien, sondern für uns alle, für die ganze Region“.

Faktencheck zum Kosovo:
KNA

Die Republik Kosovo liegt im westlichen Teil der Balkanhalbinsel und hat etwa 1,9 Millionen Einwohner. Die Hauptstadt ist Pristina mit offiziell mindestens 162.000 Bewohnern. Ein bewaffneter Aufstand der kosovo-albanischen Miliz UCK, deren Ziel eine staatliche Unabhängigkeit war, führte in der damals noch zu Jugoslawien gehörende Region zu einer Nato-Intervention mit Luftangriffen auf Serbien.

Von 1999 bis 2008 hatte die UN-Mission für die Übergangsverwaltung im Kosovo (UNMIK) das Sagen. 2008 erklärte sich Kosovo mit Zustimmung des Westens für unabhängig. Heute erkennen 111 der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen das Land als eigenständig an. Nicht dazu zählen Serbien, Griechenland, Spanien, Rumänien, Zypern und die Slowakei. Offiziell hat sich auch der Vatikan bislang nicht geäußert.

Die Arbeitslosigkeit des Landes beträgt Schätzungen zufolge rund 40 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit etwa 55 Prozent. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung liegt bei 28,7 Jahren. Zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen zählen die Land- und Bauwirtschaft sowie der Bergbau. Große Bedeutung haben auch der Tourismus und der Geldtransfer der in Mitteleuropa lebenden Diaspora. Die Mehrheit des Landes ist muslimisch geprägt, wobei die meisten Menschen sunnitischen Glaubensrichtungen angehören. Rund drei Prozent sind katholisch und etwa vier Prozent serbisch-orthodox.

Die Bevölkerung setzt sich aus rund 91 Prozent Albanern und 4 Prozent Serben zusammen. Sie leben überwiegend im Norden des Landes, wo es immer wieder zu Spannungen zwischen den beiden Gruppen kommt. Hinzu kommen Minderheiten wie Roma, Aschkali, Balkan-Ägypter, Bosniaken, Türken und Goranen.

Amts- und Muttersprache (der meisten Bürger) ist Albanisch; in einzelnen Teilen wie Prizren und Mamusha wird auch Türkisch gesprochen. Durch hohe Arbeitsmigration ist Deutsch ähnlich weit verbreitet wie Englisch.

Seit der Parlamentswahl im Februar 2021 wird die Republik von Ministerpräsident Albin Kurti und seiner Partei Vetevendosje (Selbstbestimmung) zusammen mit der konservativen Demokratischen Liga des Kosovo (LDK) regiert. Der frühere politische Häftling gilt als ein politischer Hoffnungsträger und verspricht, sich während seiner Amtszeit gegen die landesweit grassierende Korruption einzusetzen.

Im Dezember 2022 hat Kosovo seinen EU-Beitrittsantrag eingereicht. Der Prozess könnte sich über Jahrzehnte ziehen; die Erteilung des Kandidatenstatus ist noch nicht erfolgt. Beschlossen ist hingegen Visa-Freiheit für Kosovaren. Eine Einreise in die EU soll voraussichtlich ab Ende 2024 zweimal pro Jahr für bis zu 90 Tage möglich werden.

 

Der 9. November als deutscher Tag - Tiefpunkte und Sternstunden

Novemberrevolution, Hitlerputsch, Novemberpogrome und Mauerfall: Der 9. November ist ein Gedenktag mit vielen verschiedenen Seiten.
Von Christoph Arens (KNA)

9.November

Er ist der wohl deutscheste aller Tage des Jahres. Wenn die Bundesbürger am 9. November auf ihre Geschichte zurückblicken, schauen sie auf absolute Tiefpunkte, aber auch auf Sternstunden. Novemberrevolution, Hitlerputsch, Novemberpogrome und Mauerfall: Der 9. November ist, wie es Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im vergangenen Jahr formulierte, „ein Tag der Widersprüche, ein heller und ein dunkler Tag, ein Tag, der uns das abverlangt, was für immer zum Blick auf die deutsche Vergangenheit gehören wird: die Ambivalenz der Erinnerung“.

Steinmeier hatte 2022 dazu aufgerufen, dieses Datum als Tag des Nachdenkens über Deutschland intensiver zu begehen. Er hatte dafür plädiert, beides anzunehmen: Scham und Trauer über die Opfer sowie Respekt und Wertschätzung für die Wegbereiter der Demokratie.

Vertreter des Judentums tun sich schwer damit: Sie sorgen sich, dass damit die Erinnerung an die „Reichskristallnacht“ von 1938 und das Pogrom der Nazis gegen Juden und ihre Gotteshäuser in den Hintergrund treten könnte. Andererseits wird auch von Vertretern des Judentums eine Gedenkkultur kritisiert, die immer mehr zum Ritual wird.

Fest steht: Der 9. November ist ein Tag, an dem sich deutsche Geschichte verdichtet. Da ist der Fall der Mauer 1989. Endlich mal eine geglückte und friedliche Revolution - der glücklichste 9. November in der Geschichte der Deutschen. Weil die DDR-Bürger an diesem Tag letztlich den Weg zur Wiedervereinigung frei machten, war dieser Gedenktag zeitweilig sogar als Nationalfeiertag des vereinigten Deutschlands in der Diskussion. Doch ein uneingeschränkter Festtag hätte daraus nie werden können. Denn der 9. November markiert auch eine der dunkelsten Stunden der deutschen Geschichte, den Absturz eines kulturell vermeintlich hoch stehenden Landes in die Barbarei: Am Abend des 9. November 1938 vollzog sich in Deutschland der bis dahin größte Judenpogrom der Neuzeit in Mitteleuropa. Mehr als 1.300 Menschen starben; mehr als 1.400 Synagogen und Beträume im gesamten Deutschen Reich wurden verwüstet und etwa 7.500 Geschäfte geplündert. Über 30.000 männliche Juden wurden in Konzentrationslager gebracht. Ein Zivilisationsbruch: Von den Novemberpogromen führte der Weg nach Auschwitz, Treblinka und Buchenwald. Zum 9. November gehört aber auch ein anderer heller Moment der deutschen Geschichte: die Novemberrevolution und das Ende der Monarchie am 9. November 1918. Dieser Tag, an dem der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann vom Berliner Reichstagsgebäude aus die Republik ausrief, gilt als die Geburtsstunde der Demokratie in Deutschland.

Doch mit diesen Meilensteinen der Geschichte ist der 9. November noch immer nicht ausreichend als Gedenktag beschrieben. Am 9. November 1923 brach der sogenannte Hitlerputsch gegen die demokratische Reichsregierung in München kläglich zusammen.

Ebenfalls am Vorabend des 9. November, diesmal 1939, scheiterte auch der geplante Bombenanschlag des Handwerkers Georg Elser auf Hitler. Er hätte womöglich den Zweiten Weltkrieg noch verhindern können.

Weithin verschwunden aus der Gedenkkultur ist der 9. November 1848. Die standrechtliche Hinrichtung des republikanischen Parlamentsabgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung, Robert Blum, nach dem Oktoberaufstand in Wien bedeutete eine offene Kampfansage der Vertreter der Monarchie gegen das aus der bürgerlichen Märzrevolution hervorgegangene erste demokratisch gewählte gesamtdeutsche Parlament. Die Hinrichtung Blums markierte einen entscheidenden Wendepunkt: den Anfang vom Ende dieser Revolution.

 

Papst fordert von Europa Umdenken in Sachen Migration

KNA 

Papst Franziskus hat seine Forderungen nach einer neuen Migrationspolitik in Europa bekräftigt. Bei der Generalaudienz auf dem Petersplatz betonte er am Mittwoch, das Mittelmeer verbinde Menschen, Kulturen und Religionen. Es dürfe weder zu einem Grab noch zu einem Ort der Konflikte werden. Rückblickend auf seine Reise nach Marseille am vergangenen Wochenende rief er zu mehr Humanität und Achtung der Menschenwürde auf. Dazu gehöre auch, dass Menschen selbst über Auswandern oder Bleiben entscheiden könnten. Dazu bedürfe es konkreter lang-, mittel- und kurzfristiger Aktionen. Ein angemessenes Willkommen derjenigen, die nach Europa kommen, sei möglich, wenn die eigene Jugend in Europa eine Perspektive habe. Nur so könne man sich für Begegnungen und Austausch mit anderen Menschen öffnen. Die Mittelmeer-Region müsse wieder zu dem werden, wozu sie schon immer berufen gewesen sei: ein Mosaik der Zivilisation und der Hoffnung, so Franziskus. Am Samstagabend war der Papst von einer zweitägigen Reise in die französische Hafenstadt Marseille zurückgekehrt. Dort hatte er an einer Konferenz teilgenommen, bei der junge Menschen, Kommunalpolitiker und Religionsführer aus den Anrainerstaaten des Mittelmeers über aktuelle Herausforderungen berieten.

 

Papst wiederholt vor Weltsynode Botschaft einer offenen KircheUmfrage: Negativer Blick auf Zuwanderung nimmt zu in Deutschland

KNA 

Umfrage
Umfrage

Laut einer aktuellen Umfrage hat der negative Blick auf Zuwanderung in Deutschland zugenommen. In einer repräsentativen Umfrage von infratest dimap für den ARD-Deutschlandtrend sagten 64 Prozent, Deutschland habe durch die Zuwanderung eher Nachteile. Im Mai gaben das 54 Prozent an. 27 Prozent sehen derzeit eher Vorteile. Damit wächst laut der Umfrage auch die Unterstützung für eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen: 64 Prozent der Befragten sprachen sich dafür aus, dass Deutschland weniger Flüchtlinge aufnehmen solle, im Mai waren es 52 Prozent. 27 Prozent sagten, sie wollten genauso viele Flüchtlinge wie derzeit aufnehmen, und 5 Prozent sprachen sich dafür aus, dass Deutschland mehr Flüchtlinge aufnehmen solle - im Mai sagten das 8 Prozent.

In der Frage nach konkreten Maßnahmen zum Umgang mit Flüchtlingen in Deutschland fand eine Verstärkung der Grenzkontrollen die höchste Unterstützung mit 82 Prozent. 77 Prozent sprachen sich dafür aus, dass Deutschland mit afrikanischen Staaten ein Flüchtlingsabkommen abschließen sollte. 71 Prozent waren für die Einführung einer Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen und 69 Prozent für die Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsländer.

Der generell kritische Blick auf das Thema Migration spiegelt sich auch im Urteil über die aktuelle Flüchtlingspolitik wider: Dass die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern aktuell gut oder eher gut gelinge, fanden 9 Prozent. 14 Prozent waren der Ansicht, die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt gelinge gut oder eher gut. Der Aussage, dass die Integration von Flüchtlingen in die Gesellschaft generell gut oder eher gut gelinge, stimmten 16 Prozent zu. Bei einer ähnlichen Umfrage im September 2018 lagen all diese Werte deutlich höher. Besonders stark abgenommen seitdem hat die positive Bewertung mit Blick auf die Unterbringung und Verteilung von Flüchtlingen: Während im September 2018 noch 43 Prozent angaben, dass dies gut oder sehr gut gelinge, waren jetzt nur noch 19 Prozent dieser Ansicht.

Bei der Frage nach einer generellen Lösungsperspektive sprachen sich knapp zwei Drittel (64 Prozent) für eine Lösung auf EU-Ebene aus, ein knappes Drittel (31 Prozent) nannte eine Lösung auf nationaler Ebene sinnvoller (31 Prozent). Allerdings sagten 70 Prozent, sie glaubten nicht, dass eine Lösung auf europäischer Ebene zeitnah realisierbar sei

 

Papst wiederholt vor Weltsynode Botschaft einer offenen Kirche

KNA 

Offizielles Gebet zur Weltsynode
Offizielles Gebet zur Weltsynode

Kurz vor Beginn der Weltsynode in Rom hat Papst Franziskus seine Botschaft von einer offenen Kirche für alle wiederholt. Kern der Kirche sei, den Glauben zu verkündigen. Kern der Verkündigung sei, jedem die Hand entgegenzustrecken, jeden willkommen zu heißen und jeden einzubinden, ohne jemanden auszuschließen, sagte Franziskus in einem Video zu seinem Gebetsanliegen für Oktober. Der Papst bittet darum, dass Zuhören und Dialog zu einem Stil auf jeder Ebene der Kirche werden.

Am Samstag hat mit einem Abendgebet auf dem Petersplatz die Weltsynode im Vatikan begonnen. Nach Besinnungstagen startet am 4. Oktober die Arbeitsphase für die 464 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, darunter 364 Stimmberechtigte.

Bei der Synode geht es um neue Umgangsformen und Mitgestaltungsmöglichkeiten in der Kirche. Erstmals haben bei einer Bischofssynode auch Frauen Stimmrecht.

 

„Es ist Zeit zu handeln“: ZdK-Präsidentin Stetter-Karp hofft auf mutige Schritte der Weltsynode

„Mutige Debatten und heiligen Geist“, wünscht die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Dr. Irme Stetter-Karp, der Weltsynode in Rom.

Dr. Irme Stetter-Karp
Dr. Irme Stetter-Karp
Bild: ZdK

„Wenn sie in zwei Tagen beginnt, blicken Katholik*innen in Deutschland auf mehr als drei Jahre auf einem Synodalen Weg zurück, der sich den Zeichen der Zeit gestellt hat.“ Sie denke in diesen Tagen an den Brief, den Papst Franziskus 2019 nach Deutschland gesandt habe. Darin habe er von einer „Zeitenwende“ geschrieben, die Fragen aufwerfe, „angesichts derer eine Auseinandersetzung berechtigt und nötig ist“, erinnert sich die ZdK-Präsidentin. Sie erwarte, „dass diese Auseinandersetzung auch in Rom nicht gescheut wird. Es ist keine Zeit mehr zu zögern. Es ist Zeit zu handeln.“

Stetter-Karp ist dankbar für das Netzwerk, das sich während der diözesanen und kontinentalen Vorphasen der Weltsynode unter reforminteressierten Katholik*innen weltweit gegründet hat. „Auf dieses Netzwerk baue ich jetzt auch im Blick auf Rom. Für mich ist es ein gutes Zeichen, dass der Papst 80 Nicht-Bischöfe mit Stimmrecht ausgestattet hat, darunter 54 Frauen. Das ist ein erster, deutlicher Schritt hin zu einer synodalen Kirche. Der Papst würdigt damit, dass die Kirche nicht nur aus geweihten Männern besteht. Das ist sehr wichtig und ein Zeichen für die Zukunft.“

Zu den weiblichen Delegierten in Rom gehört die Schweizerin Helena Jeppesen-Spuhler. „Damit die Kirche sich glaubwürdig engagieren kann zu den großen Fragen unserer Zeit, müssen wir zuerst nach innen realisieren, was wir nach außen verkündigen», sagt sie. «Gleiche Würde und gleiche Rechte sollen auch in der Kirche gelten.» Die Kirche brauche Gewaltenteilung und partizipative Entscheidungsprozesse: «Beraten und Entscheiden gehören zusammen! Dies werden wir in der Synode anhand des Arbeitsdokuments diskutieren.»

Jeppesen-Spuhler, die in der Schweiz für «Fastenaktion», einem katholischen Hilfswerk arbeitet, sieht die Glaubwürdigkeit der Kirche wegen der Missbrauchsskandale im dramatischen Sinkflug. «Das bekommen kirchliche Hilfswerke, Kinder- und Jugendverbände und alle Engagierten in den Pfarreien zu spüren. Auch die kirchlichen Frauen- und Jugendverbände leiden enorm unter dem Image-Verlust.» Der Weg der Weltsynode müsse ganz klar nach vorn führen: «Stillstand geht nicht!»

Geert De Cubber, ständiger Diakon im Bistum Gent/Belgien, ist ebenfalls Delegierter auf der Weltsynode und war wie Jeppesen-Spuhler und Stetter-Karp Teilnehmender der kontinentalen Versammlung in Prag. „Ich wünsche mir eine offene Haltung von allen bei den Beratungen. Auf jeden Fall hoffe ich mindestens, dass der heilige Geist auch wirklich dabei sein darf und dass wir einander zuhören können. Ich hoffe weiter, dass wir der Welt zeigen können, dass man sich in der Kirche wirklich bemüht, einander zu begreifen, auch bei verschiedenen Standpunkten. Vielleicht ist das sogar der wichtigste Punkt für mich“, sagt De Cubber. „Ich träume davon, dass wir weitere Schritte unternehmen können für Personen die sich irgendwie von der Kirche ausgeschlossen fühlen.“ Papst Franziskus habe während der Weltjugendtage in Lissabon gesagt: „Die Kirche ist offen für alle.” Die halte er für sehr wichtig, so De Cubber.

Auch Sr. Prof. Dr. Birgit Weiler, Mitglied des Ordens der missionsärztlichen Schwestern, Peru, hofft auf die Kraft der Weltsynode. Sie ist – wie Stetter-Karp – nicht delegiert, aber mit wachen Augen und Ohren dabei. 2019 war sie Delegierte der Amazonassynode und hat dort erlebt, dass neue Wege realistisch einzuleiten sind. „Synodalität braucht das Miteinander im Beraten und Entscheiden. Denn Gottes Geist spricht durch das gesamte Volk Gottes. Das erfordert ein wechselseitigen Hören aufeinander.“ Synodalität sei in der Kirche nicht neu. „Es gab sie bereits in den ersten Jahrhunderten des Christentums. Denn aus der Taufe resultiert die Mitverantwortung aller Mitglieder des Volkes Gottes für die Kirche.“

Synodalität müsse deshalb wieder „zu einem wesentlichen Merkmal unserer Kirche werden. Das erfordert eine konsequente Umsetzung des II. Vatikanischen Konzils“. Das Netz der weltweit verbundenen Katholik*innen sei sehr wichtig für die wechselseitige Inspiration und Ermutigung auf dem Weg dorthin. „In ihm bringen Frauen und Männer ihre Reformanliegen in Bezug auf die katholische Kirche gemeinsam im weltweiten Horizont zum Ausdruck.“

Weiler hofft vor allem auf eine Einsicht: „Insbesondere Frauen sind von Machtmissbrauch in der Kirche betroffen. Es braucht ihre effektive Beteiligung an den Prozessen des Beratens und Entscheidens sowie an Leitung in der Kirche – auf allen Ebenen.“

Als Berater mit dabei ist ZdK-Vizepräsident Prof. Thomas Söding.

Seine Eindrücke zu den Beratungen der Weltsynode können Sie ab Mittwoch täglich in unserem Newsletter in der Reihe „Synode mit Söding" lesen.

Anmeldung unter: ZdK - Zentralkomitee der deutschen Katholiken | Newsletter

 

Vor 75 Jahren begann die Arbeit am Grundgesetz

Als vor 75 Jahren der Auftrag an die Deutschen kam, sich eine Verfassung zu geben, war das Echo eher mau.

Von Nicola Trenz (KNA)


Vor 75 Jahren kam dort der sogenannte Parlamentarische Rat in der ehemaligen Pädagogischen Akademie in Bonn zusammen. Dessen Auftrag: Deutschland eine ordentliche Verfassung zu geben. Die drei westlichen Besatzungsmächte drängten 1948 auf die Gründung eines westdeutschen Staates. Die Entwicklung des Kalten Krieges hatte damals die Hoffnung gedämpft, dass es zu einer Staatsbildung inklusive der sowjetischen Besatzungszone kommen könnte. Also ging von den West-Alliierten der Auftrag an die damals elf deutschen Bundesländer, in einer verfassungsgebenden Versammlung einen westdeutschen Staat mit einer freien und demokratischen Regierungsform vorzubereiten. Sie gestanden dem deutschen Volk als Kriegsverlierer schrittweise eine eigene Regierungsverantwortung zu, bereiteten damit aber letztlich den Weg hin zur deutschen Teilung. Die Ministerpräsidenten waren davon nicht begeistert und wollten den provisorischen Charakter dieser neuen Organisationseinheit betonen. Man einigte sich darauf, die Verfassung nicht als solche zu bezeichnen, sondern ein „Grundgesetz“ auszuarbeiten. Regelungen, die Westdeutschland als vollwertigen Nationalstaat hätten ausweisen können, vermieden die Politiker mit Blick auf Ostdeutschland.


So tagte vom 10. bis zum 23. August 1948 zunächst ein Verfassungskonvent auf Schloss Herrenchiemsee. Vor allem Sachverständige waren es, die dort die verfassungsgebende Versammlung vorbereiteten und die am 13. August entschieden, dass der Parlamentarische Rat in Bonn tagen soll.

Mit einem Festakt begannen hier wenige Tage später - am 1. September 1948 - die Arbeiten zum Grundgesetz der Bundesrepublik. 61 Herren und 4 Damen, allesamt Mitglieder der Landesparlamente, waren damit betraut. Entsandt nach Fraktionsstärke der Landesparlamente, ergab es sich zufällig, dass CDU/CSU und SPD jeweils 27 Mitglieder stellten. Die FDP gestaltete mit fünf Männern die neue Verfassung. Die Deutsche Partei (DP), die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) und die Zentrumspartei schickten jeweils zwei Mitglieder.

Knapp neun Monate nach der Eröffnung wird Adenauer als Präsident des Parlamentarischen Rates sagen: „Heute, am 23. Mai 1949, beginnt ein neuer Abschnitt in der wechselvollen Geschichte unseres Volkes.“

 

Innenministerin Faeser will Sozialpraktika an Schulen einführen

KNA 16.08.2023


In der Debatte über die Einführung eines sozialen Pflichtdienstes in Deutschland schlägt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) einen anderen Weg vor. „Ich plädiere dafür, Sozialpraktika an Schulen einzuführen“ , sagte sie der Rheinischen Post. Dadurch würden junge Menschen früh spüren, was sie Gutes bewirken können. So führt man sie an die soziale Arbeit heran. Zugleich betonte die SPD-Politikerin, sie wolle das Ehrenamt weiter stärken - „gerade in unseren großartigen Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz oder dem THW“ .

Zuletzt hatten Politik und Sozialverbände über die Einführung eines sozialen Pflichtdienstes in Deutschland diskutiert, wie ihn etwa Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vorgeschlagen hatte. Zugleich hatte die Ampelkoalition deutliche finanzielle Einschnitte bei den Freiwilligendiensten an gekündigt. Und das, obwohl im Koalitionsvertrag noch erklärt wurde, dass sie gestärkt werden sollen.

Unter anderem hatte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese Ende Juli angekündigt, die SPD wolle nach der Sommerpause die Einführung eines sozialen Pflichtdienstes von mindestens drei Monaten angehen. Andere aus seiner Partei hatten widersprochen und betont, es handele sich nur um einen persönlichen Debattenbeitrag Wieses.

Ablehnend äußerte sich auch Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). Freiwilligendienste seien besser, denn ein staatlicher Eingriff in den Lebenslauf junger Menschen sei verfehlt: Auch angesichts des Fachkräftemangels ist dieser Vorstoß wenig hilfreich.

Die CDU begrüßte Wieses Vorschlag und rief die SPD zur Zusammenarbeit in diesem Bereich auf. Ein Gesellschaftsjahr habe das Potenzial, der Spaltung und Polarisierung der Gesellschaft entgegenzuwirken, denn es bringe Menschen aus den unterschiedlichsten Milieus zueinander.

Sozialverbände äußerten sich überwiegend ablehnend. Für Interessierte gebe es bereits die bewährten Freiwilligendienste. Und soziale Arbeit setze Empathie voraus, die nicht staatlich verordnet werden könne. Soziale Berufe bräuchten motiviertes und gut ausgebildetes Personal.

 

Vor 75 Jahren tagte auf Herrenchiemsee der Verfassungskonvent - Die bayerische Wiege des Grundgesetzes

Drei Zigarren und eine Maß Bier standen jedem der Experten pro Tag zu, als sie vor 75 Jahren auf Herrenchiemsee die Grundlagen für das Grundgesetz schufen.

Von Barbara Just (KNA)


Der Auftrag kam von den Alliierten in den westdeutschen Besatzungszonen: Die USA, Großbritannien und Frankreich forderten im Juli 1948 die Ministerpräsidenten der Bundesländer auf, eine Verfassung auszuarbeiten. Hans Ehard (CSU) aus Bayern ergriff die Initiative und schlug einen besonders ruhigen Ort vor, um mit Experten eine Vorlage für den geplanten Parlamentarischen Rat zu schaffen: die Herreninsel im Chiemsee. Nicht nur mit der traumhaften Lage im Voralpenland lockte er die Kollegen, sondern auch mit dem Hinweis, dass es dort nur zwei Telefone gebe - Diskretion wäre gewährleistet und der Einfluss der Parteien minimiert.

Das Angebot stieß auf Wohlwollen. So reisten vom 10. bis 23. August 1948 rund 30 Länderbevollmächtigte und Experten ins Chiemgau. 13 Tage und Nächte diskutierten sie intensiv, wie eine Verfassung für das künftige Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg aussehen sollte. Die Sitzungen wurden beizeiten unterbrochen, um sich die Füße zu vertreten. Beim Spazieren über die weitläufige Insel ergab sich die Möglichkeit, in einer kleinen Gruppe Fachfragen weiter zu erörtern. Manche der Herren hatten ihre Ehefrauen und Kinder mitgebracht. Zur positiven Atmosphäre dürfte auch beigetragen haben, dass jeder Teilnehmer pro Tag das Anrecht auf drei Zigarren oder zwölf Zigaretten hatte. Zum Trinken waren eine halbe Flasche Wein oder ein Liter Bier zugesagt.


(Bitte Bild Kloster einfügen) Als Tagungsort diente nicht das von Ludwig II. (1845- 1886) nach dem Vorbild von Versailles errichtete Schloss, sondern das alte Augustiner-Chorherrenstift. In jenem Zimmer, wo der König einst zu speisen pflegte, als er die Arbeiten am Neubau verfolgte, saßen nun Staatsrechtler wie Carlo Schmid und Theodor Maunz. Sie brachten in großer Runde ihr Fachwissen ein. Die als Gastgeber fungierenden Bayern hatten eine Vorlage erarbeitet, in der Hoffnung, damit den Konvent gleich zu Beginn in die entsprechende Richtung treiben zu können. Eine der prägenden Persönlichkeiten war der Chef der bayerischen Staatskanzlei, Anton Pfeifer. Pfeiffer vertrat eine föderalistische Politik auf katholischer Grundlage. Die Experten beschäftigten sich mit den Grundrechten, der Rolle des Föderalismus und dem Schutz des Regierungssystems vor antidemokratischen Angriffen. Zentrale Fragen, die heute wieder aktuell sind.

Am Ende des Treffens 1948 stand ein 93-seitiger Bericht, der dem Parlamentarischen Rat zugeleitet wurde. Angesichts der drohenden Spaltung Deutschlands in West und Ost schlugen die Experten den Begriff „Grundgesetz“ vor, um alle Möglichkeiten einer späteren Vereinigung offen zu halten.

Und wer mehr wissen will, der wird hier fündig:
https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Verfassungskonvent_von_Herrenchiemsee,_10.-23._August_1948#Das_Ergebnis_des_Verfassungskonvents

Und wer es genau wissen will: Hier der Entwurf als Text https://www.verfassungen.de/de49/chiemseerentwurf48.htm

 

90 Jahre Reichskonkordat von Hitler-Deutschland und Vatikan am 30. Juli 1933 abgeschlossen

„Den Teufel in die Schranken weisen“ - Das Reichskonkordat des Heiligen Stuhls mit dem NS-Regime war einer der umstrittensten Verträge im 20. Jahrhundert - und gilt doch bis heute. Auch nach 90 Jahren gehen die Meinungen darüber auseinander.
Von Gregor Krumpholz (KNA)

Verträge mit Unrechtsregimen haben nach deren Ende in der Regel keine lange Dauer. Doch das Reichskonkordat des Heiligen Stuhls mit dem nationalsozialistischen Deutschland ist bis heute in Kraft.

Zum 90. Jahrestag des Vertragsschlusses am 20. Juli ging es bei einer Veranstaltung der Katholischen Akademie Berlin am Mittwochabend um das umstrittene Abkommen, das die Beziehungen zwischen Staat und Kirche umfassend regelt. Beim Auftakt setzte der Papst-Botschafter in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterovic, einen markanten Akzent: Der Heilige Stuhl schaut heute auf das Bestehen dieses Konkordats mit Zufriedenheit zurück, betonte der Apostolische Nuntius aller Kritik zum Trotz. Der Vertrag habe dazu beigetragen, kirchliches Leben in Deutschland zu garantieren, auch wenn es den nationalsozialistischen Kirchenkampf nicht verhindert hat.

Zwar räumte Eterovic ein, dass die Entstehung des Reichskonkordats in die frühe Epoche der nationalsozialistischen Gleichschaltung des kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Lebens in Deutschland fiel, und somit beide Vertragspartner unter ungleichen Voraussetzungen verhandelten. Es sei jedoch sowjetische und nationalsozialistische Propaganda gewesen, den Vertrag vor allem als ersten außenpolitischen Erfolg Hitlers zu sehen. Eine solche Bewertung habe den Heiligen Stuhl in Misskredit bringen sollen. Dies beeinflusse Historiker bis heute, bedauerte der Nuntius. Er kritisierte, dass für manche Behauptungen sogar Quellen aus dem Italienischen verfälscht interpretiert oder sogar falsch übersetzt worden sind. Sie seien in das Narrativ einer international agierenden anti-katholischen Geschichtsschreibung eingegangen. Dagegen habe das Bundesverfassungsgericht 1957 unbeirrt von dieser zeitgenössisch und bis in die bürgerlichen Parteien propagierten Polemik die Gültigkeit des Reichskonkordats für die Bundesrepublik Deutschland anerkannt, weil der westdeutsche Staat völkerrechtlich mit dem Deutschen Reich identisch gewesen sei, würdigte der Nuntius.

Der Potsdamer Historiker Thomas Brechenmacher hob den Zeitdruck hervor, unter dem das Reichskonkordat entstand. Der Vatikan habe möglichst schnell einen schützenden Damm für deutsche Katholiken gegen staatliche Übergriffe schaffen wollen, solange das kirchenfeindliche NS-Regime noch im Aufbau gewesen sei. Man wollte den Teufel in die Schranken weisen, brachte Brechenmacher die Intention des Heiligen Stuhls auf den Punkt, war Hitler aber nicht ganz gewachsen. So habe es schon während der Vertragsverhandlungen Übergriffe gegenüber Priestern und katholischen Organisationen gegeben, die auch international beachtet wurden. Dennoch sei das Konkordat für die Nationalsozialisten ein Prestigeerfolg nach außen gewesen, räumte Brechenmacher ein.

 

Umfrage: Jüngere für Gesellschaftsdienst - zur Orientierung

Von Paula Konersmann (KNA)

Sozial, ökologisch oder bei der Bundeswehr: Eine Mehrheit der Menschen in Deutschland befürwortet ein Pflichtjahr in einem sogenannten Gesellschaftsdienst. Zu diesem Ergebnis kommt der Ehrenamtsmonitor der Malteser, der am Mittwoch in Köln veröffentlicht wurde. Zudem sei das freiwillige, unentgeltliche Engagement für eine Mehrheit zuletzt wichtiger geworden. Die Ergebnisse lieferten Argumente, mehr Verbindlichkeit im Engagement für die Gesellschaft zu schaffen, sagte die Leiterin der Malteser Freiwilligendienste, Barbara Caron. Die offenkundige Bereitschaft unter Jüngeren sollte aufgegriffen werden. Insgesamt sprachen sich 62 Prozent der Befragten für einen verpflichtenden Gesellschaftsdienst aus; unter den Befragten unter 25 Jahren waren es 45 Prozent. Diese hohe Zustimmung unter den Jüngeren bezeichneten die Malteser als überraschend.

Allerdings: In diesen Tagen verlassen wieder hunderttausende Schülerinnen und Schüler die Schule - viele davon ohne klare Perspektive und Vorstellung, was sie machen möchten. Viele Schulabgängerinnen und -abgänger seien nicht einmal volljährig - eine Entwicklung, die sich in den kommenden Jahren verschärfen werde, wenn das Turbo-Abi in Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, Bayern oder SchleswigHolstein langsam auslaufe. 68 Prozent der Befragten erklärten, ein soziales oder ökologisches Jahre könnte Klarheit über die Berufsorientierung geben. Fast drei Viertel (73 Prozent) der Befragten erklärten, dass ein solches Jahr die Solidarität junger Erwachsener mit der Gesellschaft fördern würde. Auch nannten 62 Prozent die Abhilfe gegen Personalengpässe als Vorzug eines solches Pflichtjahres. 48 Prozent sehen es nach eigenen Worten als notwendig für die Landesverteidigung an. Tatsächlich haben 61 Prozent der Befragten nach eigenen Worten weder freiwillig noch verpflichtend einen entsprechenden Dienst geleistet. Von denjenigen, die einen Dienst absolviert haben, sagten 78 Prozent, dass diese Zeit sie persönlich weitergebracht habe; 60 Prozent haben wertvolle Erfahrungen für das spätere Berufsleben gesammelt. Auch ehrenamtliches Engagement nimmt der Monitor in den Blick: 22 Prozent der Befragten engagieren sich bereits, 41 Prozent können es sich vorstellen. In diesem Bereich sind jüngere Menschen ebenfalls besonders aufgeschlossen, wie es hieß: Nur rund ein Fünftel der Befragten zwischen 18 und 44 Jahren kann sich kein Ehrenamt vorstellen. Als Hindernisse wurden insgesamt am häufigsten gesundheitliche Probleme (37 Prozent) und Zeitmangel (36 Prozent) genannt. Bei der Förderung des freiwilligen Engagements ist aus Sicht der Malteser noch Luft nach oben, etwa durch eine bessere staatliche Förderung, flexible Einsatzzeiten oder eine Anerkennung durch Arbeitgeber. An der Befragung des Portals YouGov im Auftrag der Malteser beteiligten sich im Mai 2.054 Menschen. Die Umfrage ist den Angaben zufolge repräsentativ nach Alter (ab 18 Jahren), Geschlecht und Religion.

Und wer es genau wissen will, hier geht es zum ganzen Bericht:
malteser-ehrenamtsmonitor-juni2023.pdf

Und hier finden Sie die Überlegungen der GKS zu diesem Thema:
https://gemeinschaft-katholischer-soldaten.de/themen/allgemeiner-gesellschaftsdienst

 

Ein Blick zum evangelischen Kirchentag
Pistorius debattiert mit Kirchenvertretern über Ukrainekrieg

KNA

Ein Stopp westlicher Waffenlieferungen an die Ukraine würde nach Aussage von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zwar ein schnelles Ende des Krieges bedeuten. „Aber eben auch ein Ende der Ukraine“, so der Minister am Samstag beim Ökumenischen Kirchentag in Osnabrück. Bisher fehlten leider entscheidende Schritte, um den Weg von Verhandlungen zum Frieden gehen zu können.

Pistorius reagierte damit auf das Plädoyer des katholischen Domkapitulars Theo Paul, sich auch Beispiele gewaltfreien Widerstands der Ukrainer anzuschauen und zu würdigen. „Warum sind wir heute bereit, einer anderen Logik - jener der Waffen - so gerne zu folgen?“, fragte Paul bei einer Diskussion über Politik, Kirchen und Krieg im Osnabrücker Dom. „Es gibt auch andere Wege; sonst kommen wir aus dieser Sackgasse nicht wieder heraus“, mahnte Paul.

Ähnlich kritisch äußerte sich Susanne Bei der Wieden, Präses der evangelisch-reformierten Kirche in Deutschland. Auch wenn klar sei, wer für den Ukraine-Krieg verantwortlich ist - nämlich Wladimir Putin -, und der Ukraine bei ihrer Verteidigung zu helfen sei, dürfe man nicht vereinfachen und polarisieren. „Wo läuft es hin, wenn eine neue Rüstungspolitik angesagt ist?“, so Bei der Wieden. Der Ukraine-Krieg dürfe nicht in eine Endlosschleife geraten und zu einem neuen Dreißigjährigen Krieg werden. Wenn derzeit ein weltweites Wettrüsten mit Waffenexporten stattfinde, dann sollten verantwortliche Politiker dies auch klar benennen. „Wir verbrennen im Moment Milliarden, die wir im Kampf gegen Hunger und den Klimaschutz brauchen“, kritisierte die Theologin.

Der Ökumenische Kirchentag ist Teil der 375-Jahr-Feier zum Westfälischen Frieden von Münster und Osnabrück von 1648. Der evangelische Landesbischof Ralf Meister riet dazu, genau zu überlegen, aus welcher Rolle die Kirche sprechen. „Was ich in der Ukraine erlebt habe, macht mich noch unsicherer bei etwaigen Ratschlägen“, so der Landesbischof. Er könne zu den Ukrainern gerade nicht über Versöhnung sprechen. „Was ich gehört habe, macht mich schweigsamer“, fügte Meister hinzu. Vorerst müsse man den Menschen in der Ukraine in notwendigstem Maße zur Selbstverteidigung helfen. Das ändere nichts an der Einigkeit im Ziel, den Krieg zu beenden und Frieden zu schaffen.

Altbundespräsident Christian Wulf beklagte, dass vielerorts das Vergessen stärker werde als das Erinnern. Angesichts brüchiger Demokratien, die zudem angegriffen und unterwandert würden, rief Wulff dazu auf, sich in Kirchen, Parteien, Gewerkschaften, Initiativen zu engagieren. In der Hinsicht hätten auch einfache Bürger Einfluss und Macht. Weltweit gestärkter Gemeinschaftssinn sei eine wichtige Voraussetzung für Frieden.

 

News der Katholischen Nachrichten-Agentur

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