Militärbischof äußert sich zur Frage bewaffneter Drohnen (KNA)
GKS / Bund / Drohnen
KNA Aktuell vom 24. Februar 2021
Der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck äußerte sich auch zur anhaltenden Debatte der Berliner Regierungskoalition um eine Anschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr. „Die verantwortliche Auseinandersetzung darüber ist seit einiger Zeit leider zum politischen Zankapfel geworden“, klagte er. Sie sei „allzu oft der Komplexität der Angelegenheit nicht angemessen“. Es werde nicht genug gesehen, dass bewaffnete Drohnen auch dem Schutz der Soldatinnen und Soldaten dienen könnten. Zugleich zeigte sich der Bischof grundsätzlich beunruhigt über die Möglichkeiten bewaffneter Drohnen. „Vielleicht stehen wir hier, was den Einsatz von militärischen Mitteln angeht, an einer Zeitenwende“, sagte er unter Bezug auf den jüngsten Konfikt zwischen Armenien und Aserbaidschan, bei dem viele Beobachter dem Einsatz bewaffneter Drohnen große Bedeutung zusprachen. Overbeck wörtlich: „Ethisch darf es aber nicht dazu kommen, dass es auf Dauer einen Krieg ohne Menschen gibt. Nun droht aber genau diese Situation, dass man den Konflikt entpersonalisiert. Diese Grenze darf auf keinen Fall überschritten werden. Es muss immer eine personale Verantwortung derer geben, die mit anderen Kampfmitteln umgehen, als wir sie bislang gekannt haben.“
Erklärung zur Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr
Als katholische Soldatinnen und Soldaten sehen wir uns in der Pflicht, zur Frage der Bewaffnung von Drohnen Stellung zu beziehen.
Anlässlich der im Koalitionsvertrag festgelegten Beschäftigung des Deutschen Bundestages bezüglich der Beschaffung von Bewaffnung für Drohnen der Bundeswehr aktualisiert die GKS hierzu ihre Erklärung vom August 2014. Dieses Papier bezieht sich auf das unbemannte fliegende Waffensystem HERON TP, das umgangssprachlich auch als „Drohne“ bezeichnet wird.
1. Ethische und rechtliche Grundlagen
Die Achtung vor dem Leben verlangt von uns als Christinnen und Christen jede militärische Gewaltanwendung an ethischen Grundsätzen zu messen und so weit wie möglich zu begrenzen. So verpflichten auch der Menschenrechtspakt der Vereinten Nationen und das Humanitäre Völkerrecht („ius in bello") dazu, dass im Krieg und in bewaffneten Konflikten nur diejenige Gewaltanwendung erlaubt ist, die zur Bekämpfung des Gegners erforderlich ist („minusmalum-Prinzip"). Alle beteiligten Kriegs- und Konfliktparteien sind verpflichtet, die Kriterien der militärischen Notwendigkeit, der Angemessenheit der einzusetzenden Mittel, der Vermeidung unnötigen Leidens sowie der Unterscheidung zwischen Kombattanten und NichtKombattanten zu beachten.
Gegner missachten heute in fast allen Krisenregionen und Konfliktgebieten diese Regelungen und Bestimmungen des Völkerrechts (z.B. die Pflicht zur Kennzeichnung oder zum offenen Waffentragen). Sie missbrauchen häufig die zivile Bevölkerung in verbrecherischer Weise als Schutzschilde und nutzen zivile Einrichtungen (u.a. Krankenhäuser, Moscheen) ohne Rücksicht als Deckung für ihre Gewaltaktionen. Ein präzises Vorgehen durch deutsche Soldatinnen und Soldaten in derartigen Situationen, wie es bewaffnete Drohnen ermöglichen, ist somit eine wichtige Voraussetzung für die Gewaltminimierung, also die Verringerung ungewollter Nebenwirkungen und damit den Schutz der Zivilbevölkerung, aber auch für die Vermeidung eigener Verluste. Waffen, die diesen Anforderungen nicht entsprechen, sind in Deutschland konsequent abgeschafft worden, so z.B. Streubomben und Landminen.
2. Völkerrecht und nationales Recht als Grenzen des Einsatzes von bewaffneten Drohnen
Die deutschen Streitkräfte werden durch Parlament, Regierung, Justiz, Öffentlichkeit und Medien umfassend kontrolliert. Kein Einsatz1 kann außerhalb eines vom Deutschen Bundestag erteilten Mandates stattfinden. Ein Einsatz bewaffneter Drohnen der Bundeswehr außerhalb des im jeweiligen Mandat festgelegten Einsatzraumes ist ausgeschlossen. Einsatzoptionen wie „Targeted Kill“2 sind durch das deutsche Recht explizit ausgeschlossen. Die Erfahrungen aus vielen Auslandseinsätzen bestätigen seit über 25 Jahren, dass sich Parlament, Regierung und ebenso die Bundeswehr an die geltenden Regeln des Völkerrechts und an alle vorgegebenen Einschränkungen und Begrenzungen für den Waffengebrauch gehalten haben. Wo immer auch nur der Verdacht eines Verstoßes gegen ethische Grundsätze oder rechtliche Regelungen aufkam, wurde dies konsequent durch Untersuchungsausschüsse und in disziplinarer und strafrechtlicher Hinsicht, begleitet von einem öffentlichen Diskurs, überprüft.
3. Berücksichtigung in Erziehung und Ausbildung
Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr werden von Anfang an dazu ausgebildet, auf der Grundlage des Rechts zu denken, zu planen und zu handeln und dabei ethische Imperative zu beachten. Dies gilt genauso beim Einsatz von bewaffneten Drohnen. Die Führungskultur, der hohe Anspruch rechtlicher Vorgaben sowie ethischer Auflagen in Lehre und Ausbildung der Bundeswehr sind allen Soldatinnen und Soldaten mit den Grundsätzen der Inneren Führung verbindlich vorgegeben. Damit sind die Forderungen nach Wahrung der Menschenrechte, die über das Völkerrecht hinausgehen, handlungsleitend für alle Soldatinnen und Soldaten in Kampfsituationen. Das Waffensystem HERON TP wird durch entsprechend ausgebildete Pilotinnen und Piloten geführt; eine autonome Einsatzführung findet nicht statt.3 Gleichwohl stellen die Besonderheiten des Einsatzes von bewaffneten Drohnen in Form von Reach-Back-Einsätzen neue Fragen, z.B. nach der Verantwortung der für die unmittelbaren Gewalthandlungen zuständigen Soldatinnen und Soldaten und deren ggf. psychologischer Belastung. Die besonderen Bedingungen eines Einsatzes von bewaffneten Drohnen müssen in Erziehung, Ausbildung, Einsatzvor- und nachbereitung unserer Soldatinnen und Soldaten, insbesondere auch bei den verantwortlichen Vorgesetzten, umfänglich Beachtung finden.
4. Bewaffnete Drohnen als Schutz
Ein von einer Drohne abgefeuerter Flugkörper unterscheidet sich durch nichts von einem anderen z.B. von einem Kampfhubschrauber abgefeuerten Flugkörper und ist auch keine im humanitären Völkerrecht verbotene Waffe4.
1 ParlBetG §2 Abs.1.
2 Gezieltes Ausschalten von Einzelpersonen.
3 Eine weiterführende Diskussion über eine autonome Einsatzführung wird zu gegebener Zeit geführt.
4 Bericht des Sonderberichterstatters über „Außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen", A/HRC714/24/Add. 6, v. 28.10.2010, S. 22, 24
Bewaffnete Drohnen dienen vor allem dem Schutz. Drohnen verfügen im Vergleich zu anderen Waffen über bessere Überwachungs- und Auswertefähigkeiten und sind daher besonders geeignet, Opfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden. Darüber hinaus bieten sie aufgrund ihrer hohen Stehzeit im Einsatzgebiet und Echtzeitaufklärung optimalen Schutz für unsere eigenen Soldatinnen und Soldaten, erlauben eine bessere Übersicht und ermöglichen gleichzeitig unmittelbare Feuerunterstützung, die gerade gegen überlegene Feindkräfte entscheidend sein kann. Wenn erst andere Mittel angefordert werden müssen – z.B. Kampfhubschrauber, Kampfflugzeuge oder gar Verstärkung durch Bodentruppen – geht viel Zeit verloren. Damit erhöht sich das Risiko eigener Verluste.
5. Fazit
Bewaffnete Drohnen ermöglichen eine bessere Umsetzung der ethischen Forderung nach Gewaltminimierung. Deshalb fordern wir als GKS, bewaffnete Drohnen in die Bundeswehr einzuführen. Dabei darf die Verantwortung der Soldatinnen und Soldaten auch zukünftig nicht durch einen autonomen Algorithmus ersetzt werden. Bei allen Einsätzen von bewaffneten Drohnen muss immer ein Mensch über die unmittelbare Auslösung der Waffen entscheiden.
Vor dem Hintergrund der aktuellen und künftigen Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) – Hyper-War, Autonomie – wird sich die GKS mit diesen Themen weiter beschäftigen.
Berlin, den 11.11.2018
Rüdiger Attermeyer
Bundesvorsitzender und Oberst
Erklärung zum Einsatz von Kampfdrohnen durch die Bundeswehr
Seit Jahrzehnten werden auch in der Bundeswehr unbewaffnete Drohnen eingesetzt. Erst die geplante Ausrüstung der Bundeswehr mit unbemannten bewaffneten Aufklärungsplattformen („Kampfdrohnen") hat zu einer neuen Qualität der Diskussion geführt und eine lebhafte Auseinandersetzung über den Sinn und den Zweck dieses Vorhabens ausgelöst. Daher ist eine aktualisierte Bewertung erforderlich.